Sonntag, 15. Juni 2025

Gabriele Keiser - Versehrte Seelen

 


Kurzbeschreibung:

Kriminalkommissarin Helena Rosenberg wurde – nicht ganz freiwillig – von Berlin nach Bonn versetzt. Glaubte sie, ihren neuen Job ruhig angehen zu können, muss sie schon bald in einem ersten Fall ermitteln: Ein ehemaliger Politiker wurde in seiner Wohnung auf dem Venusberg erschlagen. Nicht genug damit, kommt es kurz darauf zu einer Schießerei in einem Bonner Elite-Internat, zu der Helena zusammen mit ihrem Chef beordert wird. In diesem Roman wird ein Kapitel deutscher Geschichte thematisiert, dessen Wurzeln bis tief in die Ideologie der Nazizeit zurückreichen. Eine Pädagogik mit Idealen von bedingungslosem Gehorsam, Gewalt und Einschüchterung beeinflusst bis heute die Kindererziehung und bereitet nicht selten den Nährboden für unsägliche Verbrechen, die auch noch viele Jahrzehnte nach Kriegsende ihren Nachhall finden können.

Buchdaten:

Taschenbuch: 288 Seiten
Erscheinungsdatum: 27. November 2020
ISBN: 9783898014434

Meine Meinung:

"Versehrte Seelen" ist ein Kriminalroman von Gabriele Keiser. Kaum dass die Kommissarin an ihrer neuen Wirkungsstätte in Bonn angekommen ist, wird sie mit ihrem ersten Fall konfrontiert. Ein Altpolitiker wurde in seiner Wohnung erschlagen aufgefunden. Doch damit nicht genug. Schon kurze Zeit später kommt es an einer Privatschule zu einem Amoklauf. Noch bevor das SEK vor Ort ist, eskaliert das Geschehen und fordert das Leben einer Schülerin. Was waren die Hintergründe und wie kam es zu den Taten? Gabriele Keiser greift in diesem Krimi ein Thema auf, dass zu einem facettenreich, aber auch bittere Geschichte ist. In sogenannten Erziehungsheimen wurden, wie man heute aus etlichen Fallbeispielen weiß, teils systematisch Kinder zu striktem Gehorsam "erzogen". Körperliche Gewalt, seelische Misshandlung bis hin zu Missbrauch prägten eine Ideologie, die grausamer nicht sein könnte. Bis in die 1980er Jahre wurde auch erwiesenerweise an Heimkindern Medikamententests und missbräuchlicher Einsatz davon durchgeführt. Diese Sedierungen waren sehr häufig mit starken gesundheitlichen Nebenwirkungen verbunden. Neu war für mich, dass die deutsche Journalistin und spätere RAF-Terroristin Ulrike Meinhof schon 1965 über das Schicksal der Heimkinder berichtete. Ein Thema, dass aber bis heute teils totgeschwiegen oder nicht vollständig aufgearbeitet ist. Die Autorin hat mit diesem Buch einen hervorragenden Krimi geschrieben, bei dem für den Leser anfangs der Täter vollkommen klar feststeht. Mit zunehmender Seitenzahl verschwimmen aber immer mehr die Grenzen. Wer ist Täter, wer ist Opfer? Was machte Opfer zu Tätern? Es gibt kein klares Schwarz-Weiß-Bild. Und als Leser taucht man immer mehr in das Seelenleben der Beteiligten ab. "Versehrte Seelen" ist kein Kriminalroman von der Stange, aber definitiv einer mit Tiefgang, der Aufmerksamkeit verdient. Vielschichtig und informativ, eine klare Leseempfehlung meinerseits.

Bewertung auf meiner Skala:

95%