Freitag, 18. Mai 2018

Themenwoche Serienmörder - Der Maskenmann

Fahndungsbild der Polizei in Niedersachsen. Wurde von der Soko Dennis veröffentlicht um einen Serien-Kinder-Mörder zu finden.
Nachdem ich Euch gestern das Buch "Killerinstinkt" von Stephan Harbort vorgestellt habe und mich darin auch ein Fall besonders bewegt hat, ging ich auf Spurensuche. Heute möchte ich Euch daher den Fall des Maskenmann näher vorstellen, dem 3 Morde und über 40 Missbrauchsfälle im Zeitraum 1992-2004 nachgewiesen werden konnten.
 
Im März 1992 trat der Maskenmann im Kinderheim Hepstedt zum ersten Mal in Erscheinung. Die Begleiterin einer Schulklasse entdeckt einen maskierten Mann in einem leeren Schlafsaal, wobei dieser sofort durch die offene Terrassentür flüchtet. Schon wenige Tage später versucht er erneut im Kinderheim einen 11-jährigen Jungen zu missbrauchen, aber als dieser schreit, flüchtet er. Zur gleichen Zeit kommt es in den Schullandheimen Badenstedt und Cluvenhagen zu versuchten Missbräuchen. Früh morgens am 31. März 1992 im Internat Scheeßel bemerkt ein Zimmergenosse das sein 13-jähriger Freund Stefan Jahr nicht in seinem Bett liegt. Als er Stefan nirgends vorfindet informiert er die Heimleitung. 3,5 Stunden später beginnen die Ermittlungen der Kripo Verden im Internat. Am 3. Mai 1992 wird in den Verdener Dünen die Leiche eines Jungen mit auf den Rücken gefesselten Händen aufgefunden. Sie war ca. 30 cm tief vergraben und durch Tiere teilweise freigelegt. Die Obduktion ergibt, es handelt sich um Stefan Jahr. Schon im August 1992 und auch den Folgejahren kommt es immer wieder in norddeutschen Kinder- und Schullandheimen, sowie Zeltlagern zu diversen Missbräuchen an Jungen, die immer nach dem gleichen Schema ablaufen. Ulrich Jahr, der Vater des ermordeten Stefan, kann sich mit den Schlussfolgerungen der Kripo nicht anfreunden und als auch noch sieben Monate nach der Tat mangels erfolgsversprechender Ermittlungsansätze der Fall vorläufig eingestellt wird, beantragt er mit Hilfe eines Strafverteidigers Akteneinsicht und begibt sich selbst auf eine jahrelange Spurensuche. Drei Jahre später am 24. Juli 1995 verschwindet aus einem Zeltlager am Selker Noor der 8-jährige Dennis Rostel. Am 8. August 1995 macht dann ein Spaziergänger rund 270 km entfernt in Dänemark eine grausige Entdeckung. Aus dem Heidesand in den Dünen ragt eine Hand heraus, es handelt sich um Dennis Rostel. Zwar kann hier die Kripo bei Recherchen eine Verbindung zu einem Missbrauchsfall aus dem Sommer 1992 im gleichen Zeltlager ermitteln, aber auch hier kann kein Durchbruch erzielt werden. Ebenso drang ab April 1994 im Raum Bremen immer wieder ein Täter in Einfamilienhäuser ein und missbrauchte dort Jungen. Am. 10. August 1998 verschwindet der 11-jährige Nicky Verstappen aus dem niederländischen Zeltlager bei Brunssum. Einen Tag später wird er in einer nahen Fichtenschonung tot aufgefunden. Die Missbrauchsfälle reißen in der Zwischenzeit nicht ab. Im Schullandheim Wulsbüttel verschwindet am 5. September 2001 erneut ein Junge. Es ist der 9-jährige Dennis Klein. Vierzehn Tage später am 19. September entdeckt ein Pilzsammler in einem 46 km entfernten Waldstück am Rande eines Forstweges im Gebüsch die Leiche des Jungen, der weitgehend entkleidet ist. Auch hier bestätigt sich der grausame Verdacht, es handelt sich um Dennis Klein. Die Polizei Niedersachsen gründet daraufhin die Soko "Dennis" und erhält auch in diesem Zuge Unterstützung durch die die Dienststelle „OFA (Operative Fallanalyse) Bayern“. Als Ergebnis der vergleichenden Fallanalysen, sowohl für die Mordfälle als auch für die Sexualstraftaten ist von einer Straftatenserie, anscheinend begangen durch einen einzigen Täter, auszugehen. Es folgen Massen-DNA-Tests, öffentliche Fahndung, sogar in "Aktenzeichen XY ungelöst". Mehr als 1800 Spuren gilt es auszuwerten. Doch erneut endeten die europaweiten Ermittlungen immer wieder in einer Sackgasse. Am 6. April 2004 ereignete sich ein weiteres Tötungsdelikt zum Nachteil eines Jungen in Frankreich, der über Nacht aus einem Schullandheim in St. Brevin le Pins (Loiremündung) an der Atlantikküste verschwand. Es handelt sich dabei um den 10-jährigen Jonathan Coulom. Am 19. Mai 2004 wird Jonathan in einem Teich bei Guerande, ca. 35 km vom Verschwindeort entfernt, ermordet aufgefunden. Auch hier eine sehr schwierige Ausgangslage für die französische Sonderkommission "Disparition 44", denn erneut kaum auswertbare Spuren. Aber da die Fälle in den Niederlanden und in Frankreich Parallelen zu denen in Norddeutschland aufweisen,  vermutet man einen Zusammenhang. Auffällig auch, dass der Täter alle drei Jahre mordet: 1992-1995-1998-2001-2004. Es vergehen weitere Jahre der Ermittlungen, auch Stefan Jahr's Vater Ulrich ist in den vergangen Jahren nicht untätig gewesen. Er hat viel Geld in die Recherchen seines Anwalts und eines Privatermittler investiert, aber auch er kommt nicht weiter. 2007 scheint das Gesetz der Serie durchbrochen. Es kommt zu keinem weiteren Mord, die Vermutung der Ermittler liegt nahe, dass sie dem Täter eventuell schon sehr nahe gekommen sind. Aber am 17. Juni 2009 dringt erneut ein Mann in eine Jugendherberge bei Rheine an und entführt ein Kind. Er trägt einen 10-jährigen Jungen in den unmittlbar angrenzenden Stadtpark und fordert ihn nach dessen Aufwachen auf sich auszuziehen. Doch dann sagt er plötzlich zu dem Jungen er kann gehen. Die Ermittler glauben an keine Erfindung einer Geschichte von dem Jungen, denn das beschriebene Tatgeschehen ist zu komplex. Und es passt auch zu einem Fall knapp zwei Monate davor, als ein Mann in eine Wohnung eindringt zwecks versuchtem Missbrauch. Aber auch hier führen die Spuren nicht zum Maskenmann. Im August 2010 kommt aber wieder Bewegung in die Ermittlungen. Es meldet sich ein Zeuge bei der Soko "Dennis", der im Internet eine alte Dokumentation zur Mordserie gesehen hatte, die bei ihm eine Erinnerung weckte. Er gab an, bei einem frühmorgendlichen Jogginglauf in der Nähe des Entführungsortes den Täter gemeinsam mit dem Opfer Dennis Klein in der ersten Septemberwoche 2001 in einem hellen Opel Omega Caravan A oder B gesehen zu haben. Die Ermittler prüften diese Aussage eingehend und hielten sie für schlüssig. Daraufhin wurde eine sogenannte Situationsskizze angefertigt und am 10. Februar 2011 veröffentlicht. Erneut gehen hunderte Hinweise ein, darunter auch die der eines ehemaligen Opfers von 1995. Durch die jüngste Berichterstattung sei ihm ein weiterer Zusammenhang eingefallen, der ihm damals bei den Vernehmungen nicht bewusst war. Wochen vor seinem Missbrauch war er auf einer Ferienfreizeit und damals fragte ihn ein Betreuer im Detail wo er wohne. Er musste sogar eine Zeichnung anfertigen und er hätte mittlerweile den Verdacht dieser Betreuer konnte ihn dann Wochen später überfallen haben. Er konnte sich aber nur noch an den Vornamen Martin erinnern. Die Ermittler glauben an die richtige Spur und sie können den Mann identifizieren. Es handelt sich um den 40-jährigen Pädagogen Martin Ney aus Hamburg, der bis September 2000 in Bremen wohnte. Eine Datenbankrecherche fördert weitere Erkenntnisse zutage. 1989 bereits wegen versuchter Erpressung nach Jugendstrafrecht verurteilt, aber diese Vorstrafe wurde mit Vollendung seines 24. Lebensjahrs aus dem Erziehungsregister gelöscht. 2005 wurde ihm sexueller Missbrauch in zwei minder schweren Fällen vorgeworfen, das Verfahren wurde gegen Zahlung einer Geldauflage von 1.800 Euro jedoch eingestellt. 2006 drohte Ney einem Sozialarbeiter aus Berlin, ihn wegen des Besitzes von Kinderpornografie anzuzeigen, und forderte für sein Schweigen 20.000 Euro. Daraufhin wurde er im selben Jahr wegen versuchter Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Im Dezember 2007 wurde Martin Ney erstmals von der Soko "Dennis" befragt, da sich bei ihm mittels der Rasterfahndung Übereinstimmungen mit dem Täterprofil ergeben hatten. Dabei verneinte er jeden sexuellen Bezug zu Kindern. Die Aufforderung zur Abgabe einer Speichelprobe, der er 2008 freiwillig nicht nachkam, konnte mangels hinreichenden Tatverdachtes rechtlich nicht durchgesetzt werden. Nach Abschluss der Vorermittlungen wurde dann am 13. April 2011 Martin Ney vom SEK verhaftet. Nach erstem Leugnen verweigert Ney noch die Aussage, doch tags darauf gesteht er dann. Er gibt zu Stefan Jahr, Dennis Rostel und Dennis Klein ermordet, sowie rund 40 weitere Kinder missbraucht zu haben. Am 15. Juli erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Ney wegen dreifachen Mordes und sexuellen Missbrauch in zwanzig Fällen. Die restlichen Fälle waren bis dato schon verjährt. Am 10. Oktober beginnt der Prozess vor dem Landgericht Stade, wobei Ney sich geständig zeigte. Am 27. Februar 2012 wurde Martin Ney zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Zudem stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest, aber die Verteidiger Neys legten Revision ein. Im Revisionsverfahren wurde dann am 13. Januar 2013 durch den Bundesgerichsthof die verhängte Sicherheitsverwahrung aufgehoben. Inzwischen wurde festgestellt, dass die DNA von Nicky Verstappen's Mörder nicht mit der von Martin Ney übereinstimmt, aber im Fall von Jonathan Coulom laufen immer noch die Ermittlungen der französischen Polizei. Der heute 47-jährige Martin Ney soll im fraglichen Tatzeitraum im Mai 2004 in Tatortnähe gewesen sein. Ulrich Jahr, der Vater des ersten Todesopfer sagte an einem der Verhandlungstage über Martin Ney folgendes: "Auch noch mit 65 oder 80 Jahren wird er in der Lage sein, einem kleinen Jungen den Hals zuzudrücken. Ich möchte mit diesem Hinweis nur die Hoffnung ausdrücken, dass diese Kreatur in der Haft sterben wird." Am 7. März 2012, neun Tage nach der Urteilsverkündung verstarb Ulrich Jahr durch einen Herzinfarkt. Dessen Sohn Oliver sagte damals: "Mein Vater war das vierte Opfer des Maskenmannes."
 
Quellenangaben:
  1. Stephan Harbort: Killerinstinkt / Ullstein Verlag 2012 / ISBN:  978-3-548-37477-2
  2. Offizielle Seite der Polizei Niedersachsen zur Soko Dennis (vom 1. Juli 2011 im Internet Archive)
  3. Wikipediaeintrag: Martin Ney (Serienmörder)
  4. Geständnis des Kindermörders in: Spiegel TV Magazin vom 14. August 2011 (15 Minuten)