Kurzbeschreibung:
Ricarda Raspe und ihr Verlobter freuen sich auf ihr erstes Kind. Doch dann geht bei der Geburt in der Dresdner Klinik etwas schief − und es heißt, Ricardas Baby sei tot. Laut Vorschrift darf sie es nicht einmal mehr sehen. DDR-Alltag im Jahr 1973. Aber Ricarda glaubt nicht an den Tod ihres Kindes. Sie glaubt vielmehr an eine staatlich angeordnete Kindesentführung. Auch der Polizist Thomas Rust, der zufällig Zeuge des dramatischen Vorfalls wurde, hegt diesen Verdacht und stellt Recherchen an, die ihn in höchste Gefahr bringen. Erst 17 Jahre später laufen die Fäden zusammen, als die junge Claudia Behling jene Frau sucht, die sie nach ihrer Geburt weggegeben haben soll – ihre Mutter.
Buchdaten:
Broschiert: 400 Seiten
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Erscheinungsdatum: 24. Juli 2020
ISBN: 9783423262552
Meine Meinung:
"Zwei fremde Leben" ist ein Roman von Frank Goldammer. Er greift dabei das Thema der Zwangsadoption in der ehemaligen DDR auf. In einer Dresdner Frauenklinik gibt es 1973 bei der Geburt von Ricarda's Kind Komplikationen und es heißt sie hätte eine Totgeburt gehabt. Der behandelnde Arzt ist zugleich auch noch ihr Vater. Ricarda bekommt ihr Kind nicht zu Gesicht und zweifelt schon bald an den Aussagen. Sie beginnt eine verzweifelte Suche nach ihrer Tochter, denn sie ist fest überzeugt Opfer eines von der Regierung angeordneten Kindesentzug zu sein. Ein junger Polizist, dessen Frau ebenfalls in der Klinik zur Entbindung liegt, kommt das Ganze auch spanisch vor und ermittelt auf eigene Faust. Doch wo man hinsieht, einzig eine Mauer des Schweigens. 1989 kurz vor dem Mauerfall erfährt die junge Claudia, dass sie nur adoptiert ist. Sie begibt sich auf die Suche nach der leiblichen Mutter. Frank Goldammer lässt den Leser diese Geschichte in drei verschiedenen Zeitebenen erleben. Einmal 1973 zum Zeitpunkt der Geschehnisse, dann 1989 als die DDR zusammenbrach und zuletzt 2018 als sich die Wege der Beteiligten nach vielen Jahren kreuzen. Man nimmt an, dass Zwangsadoptionen in der DDR ein Mittel waren, um staatsfeindliches Verhalten zu bestrafen. Die Kinder kamen zu linientreuen Familien und so zweifeln heute noch viele Frauen am Tod ihrer neugeborenen Babys. Der Leser erlebt intensiv wie sich Ricarda fast ihr halbes Leben verzweifelt an den Strohhalm klammert, ihr Kind könnte tatsächlich noch am Leben sein. Ihre verzweifelte Suche überschattet ihr ganzes Leben. Die Suche nach der Wahrheit und die Verschleierungen eines Überwachungsstaats sind für den Leser jederzeit greifbar. Die Geschehnisse um die junge Claudia waren eine Zeit für mich fast nicht mehr spürbar, denn der Fokus lag mehr auf Ricarda und ihren Erlebnissen. Hier hätte ich gerne gewusst, wie es ihr in den Jahren erging. Doch als die Zeitebene 2018 ins Spiel kam, löste sich nach und nach vieles auf und die Geschichte nahm dadurch auch nochmal richtig Fahrt auf. Letztendlich eine bewegende Geschichte über staatlich organisierten Kindesentzug und Zwangsadoption in der ehemaligen DDR, die Frank Goldammer hier als Thema seines Romans verarbeitet.
Bewertung auf meiner Skala:
85%